In Deutschland ist sehr viel gesetzlich geregelt und das auch im Bereich von Immobilien. Vieles zu den Immobilien findet man bereits im Bürgerlichen Gesetzbuch (=BGB). Der Übergang des Eigentums an Grundstücken und Immobilien oder die rechtliche Ausgestaltung zu Mietverhältnissen sind hier zu finden. Neben den geschriebenen Gesetzen gibt es oft auch ungeschriebene Regelungen oder anders ausgedrückt ein Gewohnheitsrecht. Wie der Name schon sagt, handelt es sich dabei gewissermaßen und Regelungen, die aus Gewohnheiten und unterschiedlichen Gepflogenheiten entstanden und entwickelt wurden.
Wir erklären dir, was das Gewohnheitsrecht genau ist, wie es zum Gewohnheitsrecht kommt und welchen Bezug es zu Immobilien hat.
Was das Gewohnheitsrecht ist und wie es entstehen kann
In Deutschland bezieht sich das Gewohnheitsrecht auf eine Rechtsprechung, die aufgrund einer langjährigen, wiederholten und allgemein anerkannten Praxis entstanden ist. Es ist eine Quelle des Rechts, die neben dem geschriebenen Recht (Gesetze, Verordnungen, etc.) und dem richterlichen Recht (Rechtsprechung) besteht. Das Gewohnheitsrecht ist insbesondere relevant, wenn es keine ausdrücklichen Gesetze zu einer bestimmten Rechtsfrage gibt oder wenn das geschriebene Recht nicht eindeutig ist.
Das Gewohnheitsrecht entsteht durch den ständigen Gebrauch bestimmter Regeln oder Prinzipien über einen längeren Zeitraum. Es wird von den Gerichten entwickelt und anerkannt, wenn sie feststellen, dass eine allgemeine Praxis oder Gewohnheit in der Gesellschaft besteht und diese Praxis als rechtlich bindend betrachtet wird.
Es gibt bestimmte Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit eine Regel oder ein
Prinzip als Gewohnheitsrecht anerkannt wird:
- Allgemeine Übung: Es muss eine weit verbreitete und einheitliche Praxis in der Gesellschaft geben. Die Regel muss von einer erheblichen Anzahl von Menschen über einen längeren Zeitraum befolgt werden.
- Rechtliche Überzeugung: Die Praxis muss von den Menschen als rechtlich verpflichtend angesehen werden. Es reicht nicht aus, dass eine bestimmte Handlung häufig vorkommt; es muss auch der allgemeine Glaube bestehen, dass diese Handlung gesetzlich verbindlich ist.
- Kontinuität: Die Praxis muss über einen ausreichend langen Zeitraum andauern, um als etablierte Gewohnheit angesehen zu werden. Es gibt keine genaue Zeitvorgabe, aber je länger die Praxis besteht, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie als Gewohnheitsrecht anerkannt wird.
- Nicht-Widerspruch: Es darf keine ausdrückliche gesetzliche Regelung geben, die der betreffenden Praxis widerspricht. Das Gewohnheitsrecht kann nur dann entstehen, wenn es keine gegenteiligen gesetzlichen Bestimmungen gibt.
Ein Beispiel für Gewohnheitsrecht in Deutschland ist das „Recht am eigenen Bild“. Obwohl es keine spezifische gesetzliche Regelung dazu gibt, wird allgemein anerkannt, dass eine Person das Recht hat, selbst über die Veröffentlichung ihres Bildes zu entscheiden. Dieses Gewohnheitsrecht hat sich im Laufe der Zeit entwickelt, da die Gerichte immer wieder ähnliche Fälle entschieden haben und dabei den Schutz der Privatsphäre und die Würde der Person berücksichtigt haben.
Gewohnheitsrecht im Immobilienbereich
Im Bereich von Immobilien ist das Gewohnheitsrecht in Deutschland in verschiedenen Aspekten anzutreffen. Es gibt mehrere Situationen, in denen Gewohnheitsrecht eine Rolle spielen kann, und es kann sowohl für Eigentümer als auch für Mieter von Immobilien relevant sein.
Ein Beispiel für Gewohnheitsrecht im Immobilienbereich betrifft das Wegerecht. Wenn ein Grundstück über einen bestimmten Zeitraum hinweg durch eine andere Person oder Partei genutzt wurde, um auf ein dahinterliegendes Grundstück zuzugreifen, kann sich ein Gewohnheitsrecht auf ein Wegerecht entwickeln. Wenn also jemand über das Grundstück A zugänglich zum Grundstück B gelangt und dies über einen längeren Zeitraum, ohne dass es eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung gibt, kann das Gewohnheitsrecht entstehen und das Nutzungsrecht des Weges etablieren. Das bedeutet, dass der Eigentümer von Grundstück A den Zugang zum Grundstück B gewähren muss, solange das Gewohnheitsrecht besteht.
Ein weiterer Bereich, in dem Gewohnheitsrecht im Immobilienbereich eine Rolle spielt, ist das Mietrecht. Obwohl das Mietrecht in Deutschland durch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) umfassend geregelt ist, gibt es dennoch Situationen, in denen Gewohnheitsrecht Einfluss auf die Rechte und Pflichten von Mietern und Vermietern haben kann. Zum Beispiel kann es bestimmte mündliche Absprachen oder wiederkehrende Praktiken geben, die über einen längeren Zeitraum zwischen Mieter und Vermieter etabliert wurden und als verbindliche Vereinbarungen angesehen werden. Diese Gewohnheitsrechte können sich auf verschiedene Aspekte beziehen, wie beispielsweise die Höhe der Mietzahlungen, die Art der Instandhaltung oder die Nutzung bestimmter Räumlichkeiten.
Des Weiteren kann Gewohnheitsrecht im Immobilienbereich auch in Bezug auf bestimmte Verfahrensweisen oder Gepflogenheiten bei Immobilientransaktionen auftreten. Beispielsweise könnte es in einer bestimmten Region üblich sein, dass der Käufer die Kosten für einen Immobilienmakler übernimmt, obwohl dies gesetzlich nicht vorgeschrieben ist. Wenn dies über einen längeren Zeitraum hinweg allgemein akzeptiert und praktiziert wird, kann es als Gewohnheitsrecht angesehen werden und somit einen bindenden Charakter haben.
Man muss beachten, dass Gewohnheitsrecht im Immobilienbereich nicht absolut ist und in jedem konkreten Fall von den Gerichten geprüft und bewertet wird. Die Voraussetzungen für das Entstehen eines Gewohnheitsrechts, wie eine allgemeine Praxis, rechtliche Überzeugung, Kontinuität und Nicht-Widerspruch, müssen nachgewiesen werden. Die Gerichte werden dann entscheiden, ob das Gewohnheitsrecht anerkannt wird und welche konkreten Rechte und Pflichten daraus resultieren.
Diese Bereiche im Mietrecht können gewohnheitsrechtlich ausgestaltet werden
Wie oben bereits erwähnt wurde, gibt es auch im Mietrecht bestimmte Bereiche, die durch das Gewohnheitsrecht weiter ausgestaltet werden können. Im Folgenden sind einige Bereiche aufgeführt, in denen gewohnheitsrechtliche Bestimmungen im Mietrecht eine Rolle spielen können:
Mietpreisgestaltung: In einigen Regionen oder auf bestimmten Wohnungsmärkten kann sich ein gewohnheitsrechtlich festgelegtes Mietpreisniveau entwickelt haben. Dies könnte bedeuten, dass bestimmte Arten von Wohnungen oder in bestimmten Stadtvierteln zu einem bestimmten Mietpreis vermietet werden, der über einen längeren Zeitraum hinweg als üblich akzeptiert wurde. Solche gewohnheitsrechtlichen Bestimmungen können zur Orientierung dienen, wenn es keine expliziten gesetzlichen Regelungen für die Mietpreisgestaltung gibt.
Kleinreparaturen: In einigen Fällen kann es ein gewohnheitsrechtlicher Konsens geben, dass bestimmte Reparaturen und Instandhaltungsarbeiten in Mietwohnungen vom Mieter selbst durchgeführt werden müssen. Dies kann kleinere Reparaturen wie das Auswechseln von Glühbirnen oder das Streichen der Wände umfassen. Wenn sich eine solche Praxis über einen längeren Zeitraum hinweg etabliert hat und von den Mietern und Vermietern akzeptiert wird, kann sie als gewohnheitsrechtliche Bestimmung betrachtet werden.
Betriebskostenabrechnung: Die Verteilung und Abrechnung von Betriebskosten in Mehrfamilienhäusern kann ebenfalls von gewohnheitsrechtlichen Bestimmungen beeinflusst sein. Es könnte eine langjährige Praxis bestehen, nach der bestimmte Kostenarten auf die Mieter umgelegt werden, auch wenn dies von den gesetzlichen Vorgaben abweicht. Solche gewohnheitsrechtlichen Regelungen können in bestimmten Regionen oder innerhalb bestimmter Wohnungsmärkte vorkommen.
Kündigungsfristen: Die gesetzlichen Kündigungsfristen für Mietverhältnisse sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) festgelegt. Es könnte jedoch gewohnheitsrechtliche Bestimmungen geben, die längere Kündigungsfristen vorsehen, insbesondere wenn es um langjährige oder beständige Mietverhältnisse geht. Solche gewohnheitsrechtlichen Bestimmungen könnten durch langjährige Praxis und allgemeine Akzeptanz in der Region entstanden sein.
Es ist anzumerken, dass gewohnheitsrechtliche Bestimmungen im Mietrecht nicht absolut sind und von den Gerichten im Einzelfall bewertet werden. Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines gewohnheitsrechtlichen Konsenses müssen nachgewiesen werden, einschließlich einer weit verbreiteten, einheitlichen Praxis über einen längeren Zeitraum hinweg und einer allgemeinen Anerkennung in der Gesellschaft.
Zudem ist zu beachten, dass die Rechtsprechung und gesetzliche Regelungen im Laufe der Zeit entwickeln und gewohnheitsrechtliche Praktiken gegebenenfalls durch klare gesetzliche Regelungen abgelöst werden können. Gewohnheitsrecht im Mietrecht kann sich daher im Laufe der Zeit ändern, wenn sich neue gesetzliche Bestimmungen etablieren oder wenn sich die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen verändern.
So kann Gewohnheitsrecht geändert werden
Gewohnheitsrechtliche Bestimmungen können grundsätzlich abgeändert oder aufgehoben werden, jedoch ist dies ein komplexer und anspruchsvoller Prozess. Um das etablierte Gewohnheitsrecht zu ändern, bedarf es einer klaren Absicht und eines durchdachten Vorgehens. Es gibt verschiedene Wege, auf denen eine solche Änderung erfolgen kann.
Eine Möglichkeit, gewohnheitsrechtliche Bestimmungen zu ändern, besteht darin, eine gezielte gesetzliche Regelung zu erlassen. Das Parlament kann ein Gesetz verabschieden, das das bisherige Gewohnheitsrecht ausdrücklich aufhebt oder abändert. Dies erfordert jedoch eine sorgfältige Prüfung der bestehenden gewohnheitsrechtlichen Praxis und eine rechtliche Bewertung der Auswirkungen der Änderung.
Eine weitere Option besteht darin, dass die Gerichte das Gewohnheitsrecht im Rahmen eines konkreten Rechtsstreits überprüfen und abändern können. Wenn ein Fall vor Gericht gebracht wird, der eine gewohnheitsrechtliche Bestimmung betrifft und die Richter zu dem Schluss kommen, dass es angebracht ist, das bestehende Gewohnheitsrecht zu ändern, können sie dies in ihrem Urteil festlegen. Dies ist jedoch ein langwieriger Prozess und erfordert eine umfassende rechtliche Prüfung sowie eine ausführliche Begründung für die Änderung.
Das Gewohnheitsrecht weist durch seine langjährige und allgemein anerkannte Praxis eine gewisse Stabilität und Kontinuität auf. Daher kann es schwierig sein, gewohnheitsrechtliche Bestimmungen zu ändern, insbesondere wenn sie fest in der Gesellschaft verankert sind. Es erfordert eine deutliche rechtliche Begründung und eine angemessene Berücksichtigung der Interessen und Erwartungen der Betroffenen.
Generell ist es ratsam, bei der Änderung gewohnheitsrechtlicher Bestimmungen eine breite Konsultation und Diskussion mit den betroffenen Parteien einzubeziehen. Dies ermöglicht es, verschiedene Perspektiven und Interessen abzuwägen und die Auswirkungen der Änderung umfassend zu bewerten.
Fazit
Anhand des Gewohnheitsrechts wird deutlich, dass die deutschen Gerichte eine Vielfalt an Möglichkeiten haben, um stetige Rechtsfortbildung zu betreiben. Durch gewohnheitsrechtliche Ausgestaltungen gelingt es, die niedergeschriebenen, gesetzlichen Regelungen weiter auszufüllen und zu konkretisieren. Besonders im Mietrecht und im allgemeinen Immobilienbereich gilt es verschiedene, rechtliche Ausgestaltungen, beispielsweise bezogen auf Kleinreparaturen und Kündigungen zu beachten und im Hinterkopf zu behalten.