Jahre lang mussten sich Anleger mit mickrigen Zinsen zufriedengeben, insbesondere dann, wenn sie sich für sichere, verzinsliche Geldanlagen entscheiden wollten. Jetzt hat die Europäische Zentralbank jedoch das erste Mal seit über sechs Jahren die Leitzinsen wieder erhöht. Daher hoffen Anleger und Anlegerinnen darauf, dass nicht nur die Kreditzinsen steigen, wie es bisher schon der Fall ist, sondern auch eine Erhöhung bei den Anlagezinsen zu erkennen ist. Ob die Zinswende allerdings bereits für Anleger und Sparer eingetretenes sowie, was du in dem Zusammenhang beachten solltest, das erfährst du in unserem Beitrag.
- Europäische Zentralbank erhöht Leitzins deutlich
- Sofortige Auswirkungen bei den Kreditzinsen
- Was tut sich momentan bei den Anlagezinsen?
- Reale Kapitalverluste für Anleger bei verzinslichen Geldanlagen
- Sachwertanlagen aufgrund des Inflationsschutzes hoch im Kurs
- Geht es noch weitere Alternativen?
- Tipp: Keine lange Kapitalbindung in verzinsliche Anlageformen
Europäische Zentralbank erhöht Leitzins deutlich
Zunächst solltest du wissen, dass sowohl die Höhe der Kredit- als auch der Anlagezinsen zwar nicht an die Leitzinsen gekoppelt ist, davon jedoch massiv beeinflusst werden. Bisher handhaben Banken es immer so, dass wenn die Europäische Zentralbank den Leitzins anhebt, dass dann auch die Anlage- und vor allen Dingen die Kreditzinsen zumindest leicht angehoben werden. Gleiches gilt im umgekehrten Fall. Sollte die EZB die Zinsen senken, bedeutet das meistens auch für Kreditnehmer und Anleger, dass die Darlehens- und Anlagezinsen geringer ausfallen.
Für nicht wenige Marktteilnehmer etwas überraschend hat die Europäische Zentralbank Ende Juli 2022 den Leitzins von bisher 0 Prozent gleich um ein halbes Prozent auf jetzt 0,5 Prozent erhöht. Damit möchte die Zentralbank natürlich der relativ hohen Inflationsrate entgegen steuern. Es handelt sich dabei sogar um die erste Erhöhung der Leitzinsen innerhalb der letzten zehn Jahre. Doch wirken sich die Leitzinsen schon jetzt auf die Anlagezinsen aus und ist deswegen ein Ende der Niedrigzinsphase eingetreten?
Sofortige Auswirkungen bei den Kreditzinsen
Bei den Kreditzinsen ist die Zinswende definitiv bereits eingetreten. Besonders massiv zeigt sich das bei den Bauzinsen, denn diese sind in den letzten Monaten erheblich angestiegen. Das zeigt ein Blick auf die Entwicklung der Hypothekenzinsen in den letzten neun Monaten, die sich mit den jeweiligen Durchschnittswerten bei einer Zinsbindung von zehn Jahren wie folgt darstellt:
- November 2021: ca. 0,8 %
- Februar 2022: ca. 1,4 %
- April 2022: ca. 2 %
- August 2022: ca. 3,2 %
Die Bauzinsen sind also tatsächlich innerhalb der letzten gut sechs Monate um über 250 Prozent angestiegen, nämlich von einem Zins von ca. 1,3 auf jetzt über 3 Prozent. Bei Ratenkrediten gibt es eine ähnliche Entwicklung, die allerdings nicht ganz so drastisch ist, was die Erhöhung der Zinsen angeht.
Was tut sich momentan bei den Anlagezinsen?
Für Anleger ist es natürlich nicht so interessant, wie sich die Kreditzinsen entwickeln, sondern ob auch im Bereich Kapitalanlage und Vermögensaufbau bei den entsprechenden, verzinslichen Geldanlagen eine Trendwende zu erkennen ist. Bisher ist das allerdings leider noch nicht der Fall. Es finden sich nach wie vor kaum Angebote der Banken, die bei sehr sicheren und durch die Einlagensicherung geschützten Anlageformen einen durchschnittlichen Zins von einem Prozent überschreiten würden. Dies trifft insbesondere auf die folgenden Anlageformen zu:
- Spareinlagen
- Festgelder
- Tagesgeldkonten
- Geldmarktpapiere
Beim Tagesgeld zum Beispiel musst du wirklich lange suchen, um eine Bank zu finden, die hier einen Zinssatz von mehr als 0,5 Prozent zu zahlen bereit ist. In aller Regel findet sich solche Tagesgeldangebote nur im Ausland, allerdings eher außerhalb der Europäischen Union oder im besten Fall in östlichen oder südlichen Ländern des Kontinents. Ganz ähnlich sieht das Bild bei Spareinlagen und Festgeldern aus, denn auch dort bewegen sich die Zinsen sehr mühsam in eine Richtung, die für Anleger interessant wäre. Noch gibt es also aus finanzieller Sicht keinen Grund, sich wieder verstärkt für Tages- oder Festgelder zu entscheiden.
Reale Kapitalverluste für Anleger bei verzinslichen Geldanlagen
Du wirst vielleicht denken, dass ein Zinssatz von immerhin beispielsweise 0,8 Prozent auf dem Festgeldkonto besser ist als nichts. Auf der anderen Seite sollte man allerdings wissen, dass dennoch reale Kapitalverluste entstehen. Warum ist das so? Die reale Kapitalentwicklung sagt darüber etwas aus, ob du zum Beispiel nach einem Jahr mehr oder weniger Geld in Händen halten, was dessen Kaufkraft angeht. Daher darfst du auf der einen Seite nicht nur die Zinsen als Ertrag betrachten, sondern müssen auf der anderen Seite unbedingt die Inflation, also die Geldentwertung, berücksichtigen.
Momentan haben wir in Deutschland und auch innerhalb der EU eine Inflationsrate von etwa acht Prozent. Selbst wenn du auf einem Tagesgeldkonto eine Verzinsung von einem Prozent erhalten würdest, was bereits schwierig genug ist, würde das zu einem realen Kapitalverlust von momentan sieben Prozent im Jahr führen. Wenn du also zum Beispiel im Januar 10.000 Euro auf einem Tagesgeldkonto angelegt hast, wäre dies nach jetzigem Stand Ende Dezember nur noch 9.300 Euro wert, wenn man die Kaufkraft betrachtet. Das ist natürlich für Anleger eine äußerst unbefriedigende Situation, denn natürlich möchte man sein Geld investieren, um es zu vermehren. Welche Lösung kann es momentan also für Anleger und Sparer im Rahmen eines Vermögensaufbaus geben?
Sachwertanlagen aufgrund des Inflationsschutzes hoch im Kurs
Traditionsgemäß ist es so, dass niedrige Anlagezinsen dazu führen, dass sich Anleger verstärkt nach alternativen Anlageprodukten umsehen. Dabei werden – ebenfalls historisch bedingt – insbesondere die folgenden Anlageformen favorisiert:
- Aktien
- Edelmetalle
- Immobilien
- Sonstige Sachwertanlagen
Das Zauberwort ist in dem Zusammenhang: Sachwertanlagen! Unter dem Begriff werden Anlageformen zusammengefasst, bei denen du in einen bestimmten Sachwert investierst. Ein klassisches Beispiel sind zum einen Immobilien und zum anderen Edelmetalle, die beide zu den am häufigsten genutzten Sachwertanlagen zählen. Aktien und Fonds zählen – mit gewissen Abstrichen – ebenfalls zu dieser Kategorie, denn hinter dem Investment stehen Anlage- und Umlaufvermögen des jeweiligen Unternehmens, also der Aktiengesellschaft.
Sachwertanlagen sind besonders bei hohen Inflationsraten deshalb interessant, weil sie einen sogenannten Inflationsschutz beinhalten. Damit ist gemeint, dass die Entwicklung des Wertes eben nicht auch von der Inflation abhängig ist, sondern nicht wie bei verzinslichen Geldanlagen automatisch durch hohe Inflationsraten eine Wertminderung eintritt und reale Kapitalverluste entstehen. Deshalb empfehlen viele Bank- und Anlageberater ihren Kunden momentan auch eine Sachwertanlage.
Geht es noch weitere Alternativen?
Sachwertanlagen sind natürlich in der Niedrigzinsphase keineswegs die einzigen Anlageprodukte, für die du dich entscheiden kannst. Sehr interessant sind Beispiel Fonds und das Crowdinvesting, mittels dessen du die Möglichkeit hast, in bestimmte Projekte Geld zu investieren. Dabei geht es dann zu einem größeren Anteil wiederum um eine Sachwertanlage, nur auf eine etwas andere Art und Weise.
Der Vorteil eines Investments in Fonds oder auch mittels Crowdinvesting ist, dass so auch ein Vermögensaufbau betrieben werden kann. In beiden Fällen bewegt sich die Mindestanlagesumme oftmals zwischen 50 und 250 Euro. Das bedeutet, du hast in der Niedrigzinsphase nicht nur eine Alternative bei der einmaligen Kapitalanlage, sondern auch, was regelmäßige Sparen und Vermögensaufbau betrifft.
Tipp: Keine lange Kapitalbindung in verzinsliche Anlageformen
Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass sich auch demnächst im Anlagebereich etwas tut und die Zinsen steigen. Auf keinen Fall solltest du dein Kapital daher jetzt langfristig binden, schon gar nicht über mehrere Jahre in niedrig verzinsliche Anlageformen. Es wäre also definitiv ein Fehler, sich zum Beispiel für eine Festgeldanlage mit einer Laufzeit von drei oder mehr Jahren zu entscheiden, bei der du vielleicht einen Zins von im besten Fall 1,2 Prozent erhältst. Vielmehr ist es empfehlenswert, dass du dein Geld flexibel verfügbar hältst oder direkt ins ertragreichere Alternativen investierst, wie die zuvor angesprochenen Sachwertanlagen.