Bis vor knapp einem Jahr hatten zukünftige Immobilieneigentümer immerhin den Vorteil, dass sie einen Immobilienkredit zu einem sehr günstigen Zinssatz von der Bank erhielten. Zwar sind die Immobilienpreise in den vergangenen Jahren stetig angestiegen, aber auf der anderen Seite konnten Finanzierungen sehr günstig durchgeführt werden. Dieser Vorteil schwindet jetzt immer mehr, denn am Markt gibt es eine echte Zinswende.
Lagen die Bauzinsen gegen Mitte des vergangenen Jahres im besten Fall noch bei unter 0,6 Prozent, so müssen selbst Kreditsuchende mit einer guten Bonität mittlerweile oft einen Zinssatz von vier Prozent zahlen. Daher stellt sich die berechtigte Frage, ob es für Personen mit einem durchschnittlichen Einkommen überhaupt noch möglich ist, den Wunsch von der eigenen Immobilie zu realisieren?
- Entwicklung am Immobilienmarkt durch steigende Preise gekennzeichnet
- Trendwende am Zinsmarkt: Hypothekenzinsen steigen weiter
- Was macht der Zinsanstieg bei den Bauzinsen im Detail aus?
- Wer kann sich jetzt noch ein Eigenheim leisten?
- Beispielrechnung zur monatlichen Belastung
- Anschlussfinanzierung nicht vergessen
Entwicklung am Immobilienmarkt durch steigende Preise gekennzeichnet
Die Immobilienpreise steigen in Deutschland schon seit über zehn Jahren, teilweise in großem Umfang, an. Insbesondere in den Metropolen des Landes haben sich zum Beispiel die Kaufpreise für Eigentumswohnungen und Ein- sowie Zweifamilienhäuser in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt. Ein ähnliches Bild gibt es im Hinblick auf die Baukosten, die in den letzten zehn Jahren ebenfalls deutlich gestiegen sind. Bauwillige und Immobilienkäufer haben also schon seit längerer Zeit mit erheblich gestiegenen Kosten zu kämpfen, sodass eine Immobilienfinanzierung allein schon aus diesem Grund immer öfter nicht realisierbar ist.
Trendwende am Zinsmarkt: Hypothekenzinsen steigen weiter
Als wenn die deutlich gestiegenen Immobilienpreise und Baukosten nicht schon negativ genug werden, hat jetzt spätestens zu Beginn des Jahres am Markt auch noch eine Zinswende eingesetzt. Das bedeutet, dass die Bauzinsen allein in den ersten vier Monaten des Jahres 2022 deutlich angestiegen sind. Dies zeigt ein Blick auf die Entwicklung, wenn wir uns einmal die durchschnittlichen Bauzinsen innerhalb der letzten Monate näher betrachten, wie zum Beispiel:
- Juni 2021: ca. 0,8 %
- Dezember 2021: ca. 1,1 %
- Mai 2022: ca. 2 %
- Oktober 2022: ca. 4%
Innerhalb eines guten Jahres haben sich die Bauzinsen demnach schlichtweg fast verfünffacht. Damit sind keinesfalls nur besonders hohe Zinsen gemeint, die für Kreditsuchende mit einer mittleren oder schlechten Bonität gelten. Stattdessen handelt es sich um die durchschnittlichen Zinsen und teilweise sogar um günstigere Bauzinsen, die von den Banken angeboten werden.
Was macht der Zinsanstieg bei den Bauzinsen im Detail aus?
Der Anstieg bei den Bauzinsen ist definitiv nicht zu unterschätzen. Oft realisieren Kreditsuchende gar nicht, welche deutlich höhere Belastungen auf sie zukommen, nur weil die Bauzinsen beispielsweise um ein Prozent angestiegen sind. Tatsächlich führt allein schon dieses eine Prozent zu einer deutlichen Mehrbelastung, die sich im Zuge der monatlichen Kreditrate bemerkbar macht.
Was zum Beispiel ein Anstieg der Hypothekenzinsen von 0,8 Prozent Mitte des vergangenen Jahres auf zwei Prozent im Mai 2022 und dann sogar 3,8 Prozent im Oktober 2022 bedeuten, möchten wir an der folgenden Beispielrechnung aufzeigen. Wir vergleichen in dem Fall drei Immobilienkredite, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten aufgenommen worden sind bzw. werden.
Finanzierung aus Juni 2021 | Finanzierung aus Mai 2022 | Finanzierung aus Oktober 2022 | |
---|---|---|---|
Kreditsumme | 250.000 € | 250.000 € | 250.000 € |
Zinssatz | 0,8 % | 1,8 % | 3,8 % |
Tilgungssatz | 3 % | 3 % | 3% |
Zinsfestschreibung | 10 Jahre | 10 Jahre | 10 Jahre |
Monatliche Darlehensrate | 791,67 Euro | 1.000 Euro | 1.416,67 Euro |
Zinssumme in 10 Jahren (ohne Tilgungsverrechnung) | 16.945,44 Euro | 37.893,37€ Euro | 78.932,85 € |
Wie du an dieser Gegenüberstellung erkennst, musst du aktuell monatlich allein aufgrund der gestiegenen Bauzinsen fast 700 Euro bei der Rate mehr zahlen, als es zum Beispiel noch vor 16 Monaten der Fall gewesen ist. Darüber hinaus addieren sich die zusätzlichen Zinskosten, sodass du auf einen Zeitraum von zehn Jahren gerechnet insgesamt 60.000 Euro mehr an Zinsen aufwenden musst, als es noch vor rund 16 Monaten der Fall gewesen ist.
Wer kann sich jetzt noch ein Eigenheim leisten?
Trotz der gestiegenen Immobilienpreise und der deutlich angezogenen Bauzinsen gibt es natürlich noch eine Reihe von Alleinstehenden und Familien, die sich nach wie vor ein Eigenheim leisten können. Hier kommt es sehr auf die persönliche Situation an, insbesondere natürlich auf die Höhe der Darlehenssumme respektive des Kaufpreises auf der einen sowie den Einkommensverhältnissen auf der anderen Seite. Wer beispielsweise ein Nettoeinkommen in Höhe von 4.500 Euro mit durchschnittlichen Ausgaben bezieht, dürfte sich durchaus noch eine Darlehensrate von monatlich 1.500 Euro leisten können.
Ob der Traum vom Eigenheim also noch realisierbar ist, hängt im Wesentlichen davon ab, welche Ansprüche du an die Immobilie hast (Kaufpreis bzw. Baukosten) und wie sich deine Einkommensverhältnisse nebst regelmäßiger Ausgaben darstellen. Daher möchten wir im Folgenden eine kurze Beispielrechnung machen, damit du ungefähr abschätzen kannst, wie hoch die monatliche Belastung bei einer bestimmten Kreditsumme ausfällt und ob du dir aufgrund deiner Einnahmen- und Ausgabensituation jetzt noch die eigenen vier Wände leisten kannst und möchtest.
Beispielrechnung zur monatlichen Belastung
Im Beispiel gehen wir davon aus, dass du dich für ein Haus interessierst, welches einen Kaufpreis von 300.000 Euro hat. Insbesondere in den größeren Städten ist dies fast schon günstig, denn dort sind Kaufpreise von 400.000 Euro aufwärts keine Seltenheit. Ferner nehmen wir an, dass du über ein durchschnittliches Nettoeinkommen in Höhe von 3.500 Euro pro Monat verfügst. Daraus könnte sich die folgende Beispielrechnung ergeben:
Kaufpreis Immobilie | 300.000 Euro |
Kaufnebenkosten | 40.000 Euro |
Eigenkapital | 50.000 Euro |
Darlehenssumme | 300.000 Euro |
Zinssatz | 3,8 % |
Tilgungssatz | 3 % |
Monatliche Darlehensrate | 1.700 Euro |
Nettoeinkommen pro Monat | 3.500 Euro |
Fixkosten pro Monat | 1.600 Euro |
Frei verfügbares Einkommen | 1.900 € |
Bei den Fixkosten musst du für die Kalkulation die monatlichen Mietkosten nicht mehr berechnen, weil diese beim zukünftigen Eigenheim naturgemäß wegfallen. An dieser Beispielrechnung zeigt sich, dass du dir trotz gestiegener Immobilienpreise und ebenfalls gestiegener Bauzinsen das Eigenheim noch leisten kannst. Bei anderen Personen kann die Rechnung natürlich ganz anders aussehen, weil es auf zahlreiche Komponenten ankommt.
Anschlussfinanzierung nicht vergessen
Die aktuell gestiegenen Bauzinsen sind nicht nur für Erstfinanzierer ungünstig, sondern können sich auch auf Kreditnehmer negativ auswirken, die bereits eine Baufinanzierung bedienen. Dort steht nämlich in der Regel später eine Anschlussfinanzierung an, sodass ein neuer Immobilienkredit zu den dann gültigen Konditionen abgeschlossen werden muss. Wenn diese Anschlussfinanzierung bei dir in wenigen Jahren ansteht, solltest du jetzt darüber nachdenken, dir die noch einigermaßen niedrigen Bauzinsen zu sichern. Da Experten damit rechnen, dass die Hypothekenzinsen weiter ansteigen, ist es relativ wahrscheinlich, dass es zum Beispiel in ein bis zwei Jahren noch höhere Zinskosten geben wird. Somit bietet es sich an, vielleicht jetzt schon ein Forwarddarlehen abzuschließen und so deine Anschlussfinanzierung mit den aktuellen Zinssätzen zu sichern.